(PNN, 10.08.2012) von Henry Klix

Kaum 20 Prozent des in Werder gelieferten Brauchwassers werden bezahlt – das soll sich ändernWerder (Havel) - Kostenlose Gartenbewässerung – wer wünscht sich das nicht. In Werder herrschen in dieser Hinsicht traumhafte Verhältnisse: Das städtische Brauchwasserwerk liefert im Schnitt 730 Millionen Liter Wasser jährlich an Kunden, die nicht dafür zahlen. Über sieben Quadratkilometer Obstbau- und Gartenland lassen sich damit beregnen.

Bürgermeister Werner Große (CDU) will den Machenschaften jetzt ein Ende setzen. „Wir ziehen das knallhart durch“, sagte Große in der Finanzausschusssitzung am Mittwochabend. Mithilfe der Satellitennavigation sollen alle bewässerten Flächen vermessen werden. „Wer illegal bewässert, zahlt vier Jahre nach oder wird abgeklemmt“, warnte der Bürgermeister. Details zu dem GPS-gestützten Verfahren verriet das Rathaus nicht. Die Kundenerhebung ist eines der wichtigsten Projekte, um die marode Brauchwasserversorgung auf Vordermann zu bringen. Seit 1936 werden die Obstbauern und Glindower Privatgärtner durch ein Leitungsnetz und Pumpwerke mit Havelwasser aus dem Glindowsee versorgt. Um den Obstbau zu erhalten, gibt es dazu keine Alternative. Doch die Anlagen sind hinüber, der Reparaturaufwand ist gewaltig. 80 Rohrbrüche gab es nur in diesem Jahr. Vor einigen Jahren hatte die Stadt das Netz von einem überforderten Obstbauernverein übernommen, seitdem kämpft der Wasser- und Abwasserzweckverband mit Altlasten. 1,4 Millionen Euro seien schon in Reparaturen gepumpt worden, so Bürgermeister Große – ohne nachhaltige Effekte. Die muss es langsam geben, denn Brunnen kommen zur Plantagenbewässerung nicht infrage, das knappe Grundwasser ist für die Trinkwasserversorgung ausbilanziert. Das Landesumweltamt hat erst diese Woche neuen Brunnenbohrungen im Einzugsgebiet des Trinkwasserwerks am Plessower See einen Riegel vorgeschoben. Auf der anderen Seite ist ohne Bewässerung auf den leichten Sandböden für die Obstbauern nichts zu machen. Die Stadtverordneten sind sich deshalb – trotz der Gaunereien – einig, der Empfehlung eines im Finanzausschuss vorgestellten Gutachtens zu folgen und Brauchwasserwerk, Förderpumpen und Leitungsnetz umfassend zu sanieren – ein Mammutprojekt. Die Gutachter haben Gesamtkosten von 1,7 Millionen Euro errechnet. Das Rathaus will jetzt prüfen, ob es günstiger geht. So könnte man die Sanierung des Brauchwasserwerks in Glindow vielleicht für 500 000 statt 1,2 Millionen Euro bewerkstelligen, so Bürgermeister Große. Statt die hinfällige Altbausubstanz zu sanieren, könnte es ein Containerneubau am Stichgraben tun. Auch für die Rohrsanierung wird geprüft, ob sich die Kosten durch moderne Vortriebverfahren senken lassen. Bis Oktober will das Rathaus eine Vorlage für die Stadtverordneten erarbeiten, wie das Brauchwassersystem zu retten ist und was es kostet. Am Ende geht es bei den Investitionen, wie auch beim Problem der illegalen Abnehmer, darum, welcher Preis kalkuliert werden kann. Für die Obstbauern sind 50 Cent pro Kubikmeter die Schmerzgrenze, wie es hieß. Dass das theoretisch machbar wäre, haben die Gutachter in langen Tabellen und Variantenvergleichen dargestellt. Betrügern ist in den Berechnungen freilich kein Raum gegeben. Dass nicht mal 20 Prozent des geförderten Brauchwassers bezahlt werden, wird durch zwei Umstände erleichtert: Ein Gutteil der Leitungen liegt auf Privatland und ist nicht grunddienstlich gesichert. Von Rohrbrüchen erfährt der WAZV manchmal nur durch Nachbarn, deren Keller unter Wasser steht. Zum anderen wird nur bei einem kleinen Teil der Kunden mit Mengenzählern abgerechnet. Der überwiegende Teil zahlt nach der Größe der beregneten Fläche. Auf Kundenangaben kann sich der WAZV offenbar nicht verlassen. Auf Befragungen wird gerade bei Kleinabnehmern wortkarg reagiert, so WAZV-Geschäftsführerin Bärbel Gärtner. „Ein Armutszeugnis“, findet sie.

Beide Probleme wird die Stadt in den nächsten Wochen angehen, Grunddienstbarkeiten sichern und die Datenbasis vervollständigen. Auch wenn die Brauchwasserversorgung erhalten bleibt, wird sonst nichts beim Alten bleiben.